Hintergrundinformationen zur Situation am Hochrhein

Die Äsche ist eine Fischart von Flüssen; im Rhein zwischen Untersee und Basel war sie einst die Leitart, und nach ihr wird die Äschenregion benannt. Flüsse sind auch für Energiewirtschaft interessant und werden für die Wasserkraftnutzung in gestaute Abschnitte unterteilt. Zwischen Stein am Rhein und Basel bestehen nur noch vier Strecken von wenigen Kilometern Länge, in denen der Rhein ungestaut fliesst. Die bedeutendste liegt am Ausfluss des Untersees bei Stein am Rhein; der dortige Äschenbestand dürfte der wichtigste in Hunderten von Kilometern Umkreis gewesen sein und ermöglichte eine nachhaltige, streng überwachte Fischerei mit einem der letzten Fluss-Berufsfischer. Solche Lebensräume sind jedoch in der Schweiz so selten geworden, dass die Äsche als bedrohte Art in die Rote Liste aufgenommen werden musste.

Wasservögel:

Seit jeher war der Untersee auch Überwinterungsgebiet von Wasservögeln; ihre Zahl erhöhte sich nach der Einschleppung der Wandermuschel jedoch sprunghaft. Wenn die Vögel im Laufe des Winters die erreichbare Nahrung abgeweidet hatten, verschoben sich Schwärme von ihnen allmählich rheinabwärts, kehrten jedoch zum Schlafen oft auf den See zurück.

Die Tragödie

Ab Mitte der 1980er-Jahre kamen zunehmend Kormorane vom See auf den Rhein, zuerst in kleinen Trüppchen, bald in Schwärmen. Den Linthkanal haben sie innert eines Winters praktisch leergefressen. Damit begann die Tragödie in drei Akten.

Erster Akt: Reservat
1991 reiste der eidgenössische Jagdinspektor Hans-Jörg Blankenhorn nach Stein am Rhein und informierte die Bevölkerung, dass seit zwei Wochen der Rhein Bestandteil eines Zugvogelreservats sei. Das habe für die Bevölkerung keine Auswirkungen: Fischen, Bootfahren, Schwimmen und Spazieren würden nicht eingeschränkt. Allerdings hatte wenige Tage zuvor bereits ein Vertreter der Schweizerischen Vogelwarte, Werner Suter, einen Fischer wegen Knallens mit einer Rebbergpistole verzeigt – das sei in einem Reservat verboten!

Zweiter Akt: Angriffe
Im Februar 1997 geschah dann doch, was lange Jahre nur befürchtet worden war: Die Kormorane dezimierten den bisher stärksten Äschenbestand Mitteleuropas bis auf kümmerliche Reste – gut dokumentiert, weil zufälligerweise damals eine Studie zur Bestandesschätzung durchgeführt worden war. Im Auftrag der Jagdverwaltung Schaffhausen stellte daraufhin der Präsident des Fischereiverbands Schaffhausen, René Keller, die «Kommission zur Rettung der Rheinäsche» zusammen, die seither die Kantone Schaffhausen, Thurgau und Zürich (kam später dazu) berät. Mit strikten Schonbestimmungen und einer Neukonzeption der Kormoranabwehr konnte erreicht werden, dass sich der Äschenbestand innert fünf Jahren erholte.

Dritter Akt: Klimawandel
Der Hitzesommer 2003 hat zu einem grossen Äschensterben geführt. Der Bestand war fast gänzlich zusammengebrochen, minus 97 Prozent. Dank Fangverbot und konsequenter Kormoranabwehr konnte sich der Äschenbestand innerhalb von drei Jahren wieder erholen, auch wenn er niemals mehr die Stärke vor 2003 erreicht hat. Parallel wurde ein Massnahmenkonzept zum Schutz sensibler Fischarten in Hitzesommern erarbeitet.
Dieses wurde im Hitzesommer 2018 erstmals einem Härtetest unterzogen mit Wassertemperaturen bis 28 °C. Die mehrheitlich künstlich geschaffenen Kaltwasserzonen wurden zur Überbrückung der Hitzeperiode von einer grossen Anzahl an Äschen aufgesucht. Dank dieser Massnahmen konnte die Anzahl überlebender Äschen gegenüber 2003 wahrscheinlich erhöht werden. Der Gefährdungsstatus wurde nach dem Hitzesommer von «gefährdet» auf «stark gefährdet» angepasst.

Der Wiederaufbau des Äschenbestands von nationaler Bedeutung ist von vielen Faktoren abhängig, wobei Kormoran und Klimawandel die bedeutendsten sind.

Finale: Gutes Management nötig

Beim Klimawandel – mit Ausnahme der eingeleiteten Massnahmen zur Aufwertung (Beschattung) der Seitengewässer und Optimierung der Kaltwasserzonen – ist die Einflussnahme begrenzt. Die Gefährdung durch den Kormoran kann jedoch durch ein geeignetes Management drastisch reduziert werden. Aufgrund stark steigender Kormoranbruten auf deutscher Bodenseeseite, nimmt der Frassdruck ganzjährig stetig zu.

Das Urteil 2020

Eine Beschwerde gegen die Abschussbewilligung für Kormorane im Hochrhein durch Birdlife hatte im Thurgau leider Erfolg. Damit stellt das Gericht das Wohl der ungeschützten Vogelart über das Wohl der geschützten Fischart. Unglaublich!

Die Äschenpopulation im Hoch-rhein zwischen Untersee und Rheinfall gehört zu den bedeutendsten in ganz Europa. Doch die Population ist in den letzten Jahren stark unter Druck geraten. Und zwar von oben: Die Kor-morane fressen und fressen ... Was die Fischerinnen und Fischer schon lange ärgert, wurde auch von den Amtsstellen der beiden Kantone Thurgau und Schaffhausen als Problem erkannt. Deshalb haben sie die Bewilligung für den Abschuss der Kormorane unter Einhaltung genauer Auflagen bewilligt. Gegen diese Verfügungen in den beiden Kantonen hat Birdlife Rekurs eingelegt. Anfang Juni hat das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau die Beschwerde von Birdlife gutgeheissen. Der Entscheid im Kanton Schaffhausen liegt noch nicht vor.

Im Kanton Thurgau hatte der Kantonale Fischereiverband leider keine Stellungnahme zum Rekurs abgegeben. Auf dieses Urteil hat die kantonale Fischereiverwaltung innerhalb der rechtlichen Frist nicht reagiert.Das Urteil ist somit rechtsgültig.

Im Kanton Schaffhausen lud der Rechtsdienst sowohl den kantonalen Fischerei-Verband wie auch den Schweizerischen Fischerei-Verband offiziell zu einer Stellungnahme ein. Das Urteil ist noch nicht bekannt. Der SFV wird sich bemühen, innerhalb der zur Verfügung stehenden Frist nach Bekanntgabe des Entscheides seine rechtlichen Möglichkeiten auszunutzen.